Leiharbeit und Werkverträge in Deutschland – MK 36-16

Die deutsche Wirtschaft boomt und glänzt dadurch mit der niedrigen Arbeitslosenquote von 6,1%. Mit einer erstaunlichen Exportquote sowie Exportüberschüssen ist die deutsche Industrie in einem nicht erahnten Höhenflug und verdient sich so eine goldene Nase. Das leisten in der Hauptsache viele der 43,53 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland. Die Verdienstbeteiligung für Arbeitnehmer fällt allerdings unterschiedlich aus, je nach dem, welchen Beruf man ausübt und welche Art Beschäftigungsverhältnis in der Bindung zum Arbeitgeber vorliegt. Der überwiegende Teil der Beschäftigten hat reguläre Beschäftigungsverhältnisse, die keiner Einschränkung unterliegen und wo der Verdienst stimmt.

Etwas problematischer ist es bei den Arbeitnehmern, die nur einen Zeitvertrag haben und das Ende der Beschäftigung absehbar ist. Dieses ist die erste Art von Arbeitsstellen, die den Erwerbstätigen verunsichern, seine Einkünfte schwankend gestalten und die Lebensplanung negativ beeinflussen. Dabei will oder kann der Arbeitgeber diesen Mitarbeiter nicht fest anstellen und bewegt sich wie ein Kapitän auf schwankendem Schiff. Eine wirklich feste Bindung und eine wirkliche Loyalität kann so eigentlich zur Firma nicht entstehen. Die Sicherung des Mitarbeiters mit seiner fachlichen Qualifikation kann bei einer Firma nur die Festanstellung sein, die mit gutem Verdienst den Mitarbeiter bindet. Letztlich macht es sich für die Firma auch bezahlt loyale Beschäftigte in der Firma zu wissen. So stöhnen viele Firmeninhaber darüber, nicht die richtigen Mitarbeiter zu bekommen, obwohl sie die dann auch nicht wirklich gut behandeln. Natürlich gibt es diese eine Art Chefs und auch andere Chefs, die nachhaltig Mitarbeiter beschäftigen.

Oftmals ist es für die Erwerbstätigen durch die gezahlten Niedriglöhne oder Gehälter nicht möglich, sich zusätzlich mit einer privaten Rente abzusichern. Die Altersarmut ist so vorprogrammiert und die Zukunft im Alter sieht düster aus. Eine besondere Form eines Beschäftigungsverhältnisses ist die gewerbliche Leiharbeit und ebenfalls die Möglichkeit, sogenannte Werkverträge abzuschließen. Es ist sicherlich vielfach je nach Leiharbeitsfirma eine Art moderne Sklaverei, die Menschen trotz fachlicher Qualifikation in eine Entlohnung zweiter Klasse zwingt. In Deutschland ist diese Verleihpraxis von Menschen gesetzlich im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) festgelegt. Dort ist festgelegt, wie lange der Arbeitnehmer an seinem Einsatzort bleiben darf, sehr viel mehr eigentlich nicht. Der Arbeitsvertrag besteht nur mit der Leihfirma und der bietet in besten Fall in der Festanstellung feste Wochenstunden und Urlaub, wobei diese in der Regel von der Normalbeschäftigung negativ abweichen. Die Bezahlung entspricht natürlich nicht unbedingt einem Tarifvertrag und liegt deutlich unter der Bezahlung der Stammmitarbeiter einer Firma, wo der Leiharbeitnehmer zurzeit arbeitet, auch wenn er dieselbe Arbeit verrichtet. Es ist ein gravierender Verstoß der Gleichbehandlung, welcher vom Gesetzgeber allerdings so gewollt ist und somit auch toleriert wird. Sicherlich ist der Anteil der Leiharbeitnehmer von ca. 1 Million gegenüber den Gesamtbeschäftigen mit 2,3% gering. Wer sich aber einmal in der Mühle der Leiharbeit befindet und das aus unterschiedlichen persönlichen Gründen ist ziemlich geknechtet, obwohl er sich mit seiner Arbeitskraft nicht erkennbar schlechter einsetzt als sein Kollege Stammmitarbeiter an derselben Arbeitsstelle. Es ist so diese Zweiklassengesellschaft in der Arbeitswelt entstanden.

Wer allerdings glaubt, dass Leiharbeit eine deutsche Erfindung ist, der irrt gewaltig. Die Anfänge liegen in Amerika um die Zeit von 1948, wo die Zeitarbeitsfirma „Manpower“ gegründet wurde. In Deutschland beginnen die ersten Aktivitäten bereits 1960, wobei das Bundesverfassungsgericht erst das Monopol der Behörden aufheben musste, um so den Zugang der privaten Verleihfirmen zur Zeitarbeit zu ermöglichen. Bereits 1972 entstand das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, um eine staatliche Kontrolle zu erreichen und praktisch Lizenzen für die Leiharbeitsfirmen zu erteilen. Eine markante Regel legte jedoch damals fest, dass ins Baugewerbe erst einmal keine Leiharbeitnehmer durften. In den Jahren bis 2003 erhöhte sich per Gesetz die Beschäftigungsdauer von Leiharbeitnehmern an einem Arbeitsort der Fremdfirma.

Der „Dammbruch“ ereignete sich erst in dieser Welt der Leiharbeit im Rahmen der Agenda 2010 mit einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes unter Kanzler Schröder im Zusammenwirken mit Wirtschaftsminister Clement. Die Beschränkung der Überlassungsdauer von Leiharbeitnehmern fiel weg und führte zu einer freien Auslegung der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern in den Firmen. Nun brachen für Leiharbeitsfirmen praktisch goldene Zeiten an und Firmen konnte ihre Kosten für Mitarbeiter deutlich senken, indem sie ihre Stammbelegschaft reduzierten. So entstanden vielfach aus der Stammbelegschaft noch mehr Leiharbeitnehmer mit natürlich niedrigeren Kosten für die Firma. Kein Wunder also wenn qualifizierte Fachkräfte zu etlichen Firmen die Mitarbeiter suchen ein gespaltenes Verhältnis haben. Man degradierte so die Kompetenz und das Selbstwertgefühl vieler Mitmenschen mit einer Fachausbildung, verbunden mit einer deutlich geringeren Verdienstmöglichkeit. Klar und eindeutig gesagt betrifft das Beschriebene nicht nur Ausnahmen in diesem besonderen Bereich der Arbeitswelt. Denn ursprünglich war Leiharbeit in bestem Sinn nur zum Kapazitätsausgleich in Firmen geschaffen worden. Die einsetzende Gewinnmaximierung in etlichen Firmen und der damit verbundene Missbrauch von Zeitarbeit hat erst den Schlund des Pseudoarbeitsmarktes Leiharbeit geöffnet. Günstigstenfalls konnte der Leiharbeitnehmer von der Firma, der er gerade seine Arbeitskraft zur Verfügung stellte, in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen werden. Das waren die Aussichten in dieser Art der Beschäftigung.

Nun will es unsere Arbeitsministerin Nahles richten und das AÜG ändern. Proteste in der Vorankündigung im November 2015 gab es schon durch Herrn Dulger von Gesamtmetall. Die Lobby hat schon im Vorhinein Einspruch erhoben und gegen mögliche Beschränkungen protestiert. Ja, ja, es könnte ja was vom Gewinn durch die Lappen gehen. Jedoch hat sich Gesamtmetall schon immer bei Veränderungen schwer getan und das schon zu Zeiten von Herrn Hundt. Der absolute Turbo-Kapitalismus war noch nie eine gute Grundlage für eine gerechte Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und veränderte Sozialstrukturen. Jedoch muss man auch sehen, dass es zwischen 2003 und 2013 Verbesserungen bei der Leiharbeit per Gesetz gegeben hat, aber eben oft nur mit marginalen Auswirkungen auf die Entlohnung der Mitarbeiter.

Der neuerliche Entwurf von Frau Nahles zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sieht vor, dass nach 9 Monaten der Leiharbeitnehmer wie der Stammarbeitnehmer zu entlohnen wäre und nicht erst nach 12 Monaten ohne Überstunden. Abweichungen sollen aber durch Tarifverträge möglich sein. Es sei der Grundsatz zu Equal Pay festzulegen, allerdings mit der tariflichen Öffnungsklausel. Mitnichten ist so eine Wende der Zweiklassenentlohnung einzuleiten. Weiterhin müssen also so Menschen ihre Arbeit in Vollzeit verrichten, ohne wirklich Vollzeitlöhne zu erhalten. Es wird dann auch weiterhin so sein, dass 5,7% der Leiharbeitnehmer wie 2015 Harz IV beziehen müssen. Es wird dann auch weiterhin so sein, dass es Lohnzuschüsse zur Leiharbeit an Arbeitgeber gibt. Es wird auch weiterhin so sein, dass eine Altersarmut für viele Leiharbeitnehmer schon so gut wie sicher festliegt.

Die sich an die Nase packen müssen sind die Inhaber oder die Verantwortlichen von Betrieben der Metall- und Elektroindustrie (36%), dem Maschinenbau (11%) und dem Fahrzeugbau (10%), die Menschen als Fachkräfte von Leiharbeitsfirmen dauernd beschäftigen. Wenn es irgendwie möglich ist, sollten Firmen nur loyale Stammmitarbeiter haben, die leistungsgerecht entlohnt werden. Zugegeben, ja, das ist reines Wunschdenken von mir, aber toll wäre es schon. Man muss sich wohl grundsätzlich die Frage stellen, wie der Anspruch auf Arbeit im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland auszulegen ist. Natürlich steht auch vieles andere im Grundgesetz und……..

Bei den wirklich „tollen“ Werkverträgen wird eine einzelne Arbeitnehmerüberlassung unterlaufen. So kauft dann ein Unternehmen (Leihfirma) eine ganze Arbeitsleistung ein. Es ist die totale Abkoppelung von der realen Arbeitswelt verbunden mit der verbindlichen Auslieferung der Arbeitnehmer an die Festlegungen der Leihfirma, wo sie beschäftigt sind. Auch da will die Regierung nun nachbessern und zwar mit Kriterien für die Abgrenzung zu normalen Arbeitsverhältnissen, festgeschrieben in einem Gesetz. Außerdem soll es eine Informationspflicht für den Betriebsrat geben, die bis jetzt nicht besteht. So soll durch Transparenz der Missbrauch von Werkverträgen per Gesetz eine Eindämmung erfahren und das unter der Obhut von Arbeitsministerin Nahles. Da kann man den Entscheidern wirklich nur ein frohes Schaffen wünschen. Vielleicht merkt es ja jemand in der Öffentlichkeit, dass sich etwas zum Positiven verändert, denn die Nachfrage nach Fachkräften steigt.

12.09.2016 – WM

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