Solidarischer Aktionismus? – MK 49-15

Am 04. Dezember hat der Deutsche Bundestag in einer Abstimmung beschlossen, dass sich deutsche Soldaten mit Eurofightern und einer Fregatte im Mittelmeer an den Kampfhandlungen gegen den sogenannten Islamischen Staat beteiligen sollen. Bei den Flugzeugen handelt es sich um spezielle Aufklärungsflugzeuge.

Auslöser für diese Abstimmung waren die schlimmen terroristischen Anschläge in Paris, bei denen über 130 Menschen starben. Mit dem angekündigten Kampf gegen den Terrorismus hatte Präsident Hollande den Staat Frankreich und die Menschen vereint und auf den Zusammenhalt eingeschworen. In weiterem Umfang ging der Präsident von Frankreich auf die EU zu und hat die in den EU-Verträgen fixierten Vereinbarungen für eine Unterstützung der EU-Staaten in dem Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat eingefordert. Dieses kann ein EU-Staat machen, wenn es militärisch angegriffen wird, was der Präsident von Frankreich mit den terroristischen Angriffen auf sein Land begründete.

Natürlich stellten die Anschläge in Paris nicht nur einen Angriff für Frankreich dar, sondern auch einen Angriff auf unsere Werte der Demokratien, unsere Freiheit und den Zusammenhalt aller EU-Länder. Diese Werte gilt es selbstverständlich zu verteidigen. So hat unsere Kanzlerin Merkel dem Präsidenten von Frankreich solidarisch jegliche und mögliche Hilfe zugesichert. Hollande betonte es auch immer wieder, dass sich Frankreich nun in einem Krieg befände, was eigentlich nur sein kann, wenn es um eine kriegerische Auseinandersetzung gegen einen regulären Staat geht. Das ist jedoch de facto nicht so, weil der Islamische Staat kein Staat im völkerrechtlichen Sinne ist. Aber Präsident Hollande stellte es nun einmal so dar.

Die Gebiete des sogenannten Islamischen Staates erstrecken sich, wie man weiß, über die Staaten Irak und auch Syrien. Dort agiert diese bestialische Mörderbande der radikalen und ideologischen Glaubensfanatiker ziemlich frei in ihren „besetzten“ Gebieten. Ein gezielter Kampf gegen diese Gewalttäter zeigt sich ziemlich diffus, trotzdem sich etliche Staaten und Kämpfer an diesem Krieg gegen den sogenannten Islamischen Staat beteiligen.

Wie konnte es überhaupt dazu kommen? Die Initialzündung hat es durch den Kampf der Amerikaner gegen das Regime Saddam Hussein im Irak gegeben. Durch diesen militärischen Einsatz hat man zwar den Machthaber gestürzt, aber die dort ansässigen ethnischen Volksgruppen noch mehr als vorher entzweit. Auch die Unterdrückung anderer Glaubensrichtungen der Moslems haben den Hass untereinander geschürt. Jedoch die Experten äußerten sich zu diesen Verhältnissen so, dass es auch ohne den Einsatz der USA früher oder später zu einem Zerfall des Irak mit den Anhängern der verschiedenen Glaubensrichtungen des Islam gekommen wäre. Nach dem Irak-Krieg konnten sich Reste der noch vorhandenen Baath-Partei von Saddam Hussein mit ihren Anhängern organisieren und außerdem bei den Waffenvorräten von Saddam Hussein frei bedienen. Mit diesem Beginn war es langsam zu den Strukturen gekommen, die man zurzeit in den beiden Ländern Irak und Syrien kennt.

Der sogenannte Islamische Staat konnte sich eine geraume Zeit ziemlich unbeschwert ausdehnen und wurde überhaupt nicht wesentlich wahrgenommen, so scheint es zumindest auf den ersten Blick. Jedoch brodelte es eine lange Zeit im Untergrund. Die Türkei hat es lange Zeit nicht als Bedrohung empfunden, diesen Kampf der Terroristen. Dort fanden, nach Aussagen von Experten, Kämpfer Zuflucht und wurden wahrscheinlich auch noch mit Waffen versorgt oder zumindest logistisch gestärkt. Weiterhin hat der türkische Präsident Erdogan den IS als heimlichen Partner gesehen, der doch auch die verhassten Kurden bekämpfte. Der vorhandene Gedanke eines neuen großen Osmanischen Reiches, als Eingangstor auch auf dem Boden von Syrien hat hauptsächlich dem Präsidenten Erdogan den Blick auf die Wirklichkeit wahrhaftig getrübt. Erst der Terroranschlag eines Islamisten im Land Türkei hat die Regierung aufwachen und die eigentliche Gefahr erst erkennen lassen, jedoch ziemlich spät, zu spät.

Der Machthaber Assad in Syrien hat sich mit seinen militärischen Mitteln gegen seine verhassten Regimegegner gewährt, die ihn als Machthaber stürzen wollten. Vielleicht hatte er auch den Gedanken, dass wohl die Islamisten des IS heimlich auch für ihn kämpfen würden. An der Macht zu bleiben war das absolute Ziel von Machthaber Assad und das ist es immer noch, auch deswegen, weil sich Russland und der Iran an seine Seite gestellt haben.

Auch scheint es finanzielle Unterstützer für den IS im arabischen Raum zu geben, mit dem Ziel, ein großes islamisches Reich zu bilden, wo die Menschen im Namen des Glaubens ein Leben durch Unterdrückung ertragen müssten. Damit sind viele Dinge, die den sogenannten Islamischen Staat beeinflussen oder unterstützen, völlig unklar. Mit dem Eintreten der Bundeswehr ist dann zusätzlich ein Staat im Kampf gegen den IS dabei, obwohl ein konkreter und koordinierter Einsatz der Soldaten gar nicht möglich sein kann, weil es auch keine wirklichen Ziele zu definieren gibt. Und Aufklärung betreiben die Amerikaner sowieso durchgängig mit den bestmöglichen Mitteln. Einfach nur mit den anderen gegen einen diffusen Feind zu kämpfen, kann nicht mit Effektivität in Verbindung gebracht werden. Ein Militärapparat braucht klar definierte Ziele, die es bei dem sogenannten Islamischen Staat nur sehr begrenzt gibt. Also ist unser militärischer Einsatz nur reiner solidarischer Aktionismus? Leider kann man diese Frage nur mit ja beantworten.

Auch hat man es versäumt, die Logistik des IS grundlegend zu stören und deswegen den wirklichen Kampf gegen die Mörderbanden noch gar nicht begonnen. Wenn der Islamische Staat an verschiedene angrenzende Staaten klammheimlich Rohöl verkauft, Waffenlieferungen bekommt und auch noch finanzielle Unterstützung erhält, sind die wirkungsvollsten Ziele dort zu suchen. Die Logistik ist der Ansatzpunkt für einen erfolgversprechenden Kampf gegen die Islamisten, um sie in ihren Aktionen zu stören oder gar zu stoppen. Mit dem Abschnüren der Geldquellen und der Verhinderung einer Unterstützung durch vermeintliche Staaten besteht die Möglichkeit einer Abschnürung der Lebensadern des sogenannten Islamischen Staates. Er trocknet nur so aus und zerbröselt im innerlichen Zusammenhang. Kein Geld, keine Waffen, keine Unterstützung und dann letztlich keine Kämpfer mehr, erzielt einen Zerfall der Pseudoeinheit von selbsternannten Glaubenskrieger.

Militärische Einsätze wären so erst zweitrangig. Deswegen können die beteiligten Staaten den sogenannten Islamischen Staat nicht wirklich nur durch die Luftschläge in die Knie zwingen. Wichtig und somit die Priorität eins wäre es, die wirklichen Schwachstellen zu bekämpfen, um das Ziel zu erreichen, nämlich den sogenannten Islamischen Staat mit seinen eigenen Unzulänglichkeiten zu besiegen und die jetzt bekämpften Gebiete zu sichern. Das Danach ist wesentlich, um die zersplitterten Gewaltverbände zu bekämpfen und zu zerschlagen. Ob es natürlich möglich wäre, im Rahmen dieses Kampfes auch den Staat Syrien zu befrieden, ist sehr fraglich, auch deswegen, weil sich Machthaber Assad noch immer vor Ort befindet. Jedoch muss dieses Problem des Staates Syrien mit anderen Maßnahmen eine Lösung finden.

Wahrscheinlich wird noch mehr Gewalt zu noch mehr Destabilisierung der bekämpften Gebiete führen. Man sollte sich mit weniger Gewalteinsatz darauf konzentrieren, den sogenannten Islamischen Staat an seinen empfindlichen Stellen zu treffen. Natürlich fehlt dann höchstwahrscheinlich immer noch der wichtigste Baustein im Kampf gegen die Islamisten. Es wäre dringend notwendig, dass die am Kampf beteiligten Staaten und andere militärischen Verbände nicht mehr ihre verdeckten oder offenen eigenen Ziele verfolgen, sondern sich wirklich geschlossen auf den Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat konzentrieren. Erst damit wäre es möglich, Zielsetzungen zu definieren und Erfolge zu erzielen.

07.12.2015 – WM

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