Der Turbo-Arbeitsmarkt Deutschlands – MK 06-18

In den frühen Wirtschaftsjahren gab es in der jungen Bundesrepublik Deutschland Zeiten mit aktiver Hochkonjunktur, denn es gab nach dem 2. Weltkrieg Nachholbedarf in allen Bereichen, was eine normale Entwicklung war. Ähnliches hat im 21. Jahrhundert die Agenda 2010 von Kanzler Schröder mit gravierenden Eingriffen in die Mechanismen des Arbeitsmarktes erreicht und einen Boom bis zum heutigen Tag ausgelöst. Es war die Antwort auf eine zunehmende Globalisierung. Beides wirkte nun ökonomisch gut zusammen. Die deutsche Wirtschaft „brummt“ und es ist fast schon beängstigend, mit welchen Steigerungsraten. In den Anfängen der jungen Bundesrepublik haben die Arbeitnehmer gut und ohne gravierende Nachteile von dem Wachstum der Wirtschaft profitieren können. In den heutigen Zeiten des Turbo-Arbeitsmarktes haben sich etliche Nachteile für viele Arbeitnehmer ergeben, wo die Agenda 2010 einen erheblichen Anteil hat. Es ist eine entfesselte Arbeitswelt, die den Arbeitgebern einige Möglichkeiten durch entsprechende Gesetze für den „lockeren“ Umgang mit ihren Mitarbeitern eröffnet hat. Von vielen Firmen wird der variable Umgang mit Mitarbeitern genutzt und von etlichen auch ausgenutzt. So scheint es bei verschiedenen Firmen einen Umgang mit Mitarbeitern zu geben, die an Ware oder Sklaven erinnert. Auch ist es in dem Zusammenhang nicht überraschend, wenn in Deutschland von Mitarbeitern 947 Millionen Überstunden (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) geleistet wurden und das für lau, weil die Unternehmen meinen, das so machen zu können oder zu wollen.

Etwas überspitzt formuliert wünschen sich etliche Arbeitgeber wohl den idealen Mitarbeiter, der immer der Firma zur Verfügung steht, nie krank ist, natürlich super qualifiziert ist, ohne Einschränkungen „funktioniert“, stets eine 110%-tige Leistung bringt, sehr flexibel sein muss, zu Überstunden stets bereit ist, vielleicht auch ohne Bezahlung und letztlich, wenn es denn sein muss, auch noch eine Bezahlung erhält, die natürlich nicht zu hoch sein darf. Diese ziemlich bissige Einschätzung trifft sicher bei einer unbekannten Anzahl von Firmen voll und ganz zu, aber bei den meisten Firmen wird die Arbeitskraft eines qualifizierten Mitarbeiters sehr wahrscheinlich doch wertgeschätzt. Wenn da nicht die Einschränkungen wären, die die Arbeitnehmer in zwei Lager spaltet. Die Einen mit etwa 70% der Beschäftigten haben eine feste Anstellung, identifizieren sich durch die Verbundenheit mit der Firma voll und ganz. Sie können ihr Leben planen und das mit einiger Sicherheit, zumal dann auch durch ein abgesichertes Einkommen, welches tariflich einen vergleichbaren Standard bietet, unterstützt. Die Anderen nennt man Arbeitnehmer in einem atypischen Beschäftigungsverhältnis. Diese Art Arbeitsverhältnis ergibt sich durch Befristung, Zeitarbeit, Teilzeit und geringfügig Beschäftigte. In der Regel machen viele dieser gut ausgebildeten Arbeitnehmer dieselbe Arbeit wie die festangestellten Mitarbeiter, jedoch mit Lohnabstrichen bis zu 20% und weiteren Einschränkungen. Sie haben keine Möglichkeit ihr Leben langfristig zu planen, fühlen sich nicht wirklich mit der zeitlich begrenzten Arbeitsstelle verbunden und fühlen sich gleichfalls auch noch ausgenutzt. Wie hoch ist wohl ihre Motivation und die psychische Belastung einzuschätzen?

Vielfach gibt es die Pauschalmeinung, dass unsere Wirtschaft so gut läuft und es allen Arbeitnehmern auch entsprechend gut gehen muss. Dem ist nicht so, weil die Einschränkungen in Verbindung mit der Arbeitsstelle doch ziemlich belastend sind. Normal haben die Arbeitgeber eine gefestigte Verantwortung für ihre abhängig Beschäftigten, aber möchten sich vielfach nicht binden, weil es ihnen zu unsicher ist, Mitarbeiter zum Stamm der Beschäftigten zu zählen. Die Konjunktur könnte ja mal schwanken und die Aufträge zurück gehen. Diese Risiken hatten Unternehmer schon immer und das auch zu früheren Zeiten. Sind die heutigen Unternehmer ängstlicher mit dem was sie tun? Das kann man nicht unbedingt bejahen. Jedoch kann man es begründen mit extrem gewinnorientierten Unternehmen, die optimieren was das Zeug hält und schieben so ihr höchstes Gut, nämlich die Mitarbeiter, ins Abseits. Es ist eine Risikominimierung auf Kosten der Arbeitnehmer. Auch scheuen sich etliche Unternehmer nicht davor, die Tarifbindung zu verlassen und treten aus dem Arbeitgeberverband aus. Die Auswirkungen sind jedoch nicht nur für Arbeitnehmer unkalkulierbar sondern in unvermutetem Maße auch für die Firmen mit den dynamisch getrimmten Unternehmern. In Zeiten der Hochkonjunktur könnten Fachkräfte schon auf den Gedanken kommen sich eine bessere Arbeitsstelle zu suchen und das führt dazu, dass der Arbeitgeber dann händeringend Fachkräfte sucht, er aber zur Anstellung nicht mehr die ziehenden Argumente zur Verfügung hat. Manche Unternehmer verkennen, dass gute Mitarbeiter für die Firma wertvoll sind. Ein Bauer schlachtet schließlich auch nicht seine beste Kuh, da wäre er schön blöd.

Nun läuft die Konjunktur immer noch gut und viele Firmen suchen händeringend nach gut ausgebildeten Mitarbeitern. Mancher Unternehmer hat immer noch nicht erkannt, dass er sich nur mit guten Mitarbeitern seine „goldene Nase“ verdienen kann. So ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Firmen für Mitarbeiter nicht wirklich attraktiv darstellen. Die Methoden in der Welt der Unternehmen haben sich nicht verändert und so haben es viele Chefs bis zur Perfektion geschafft, die Gesetze zur Beschäftigung von Mitarbeitern weidlich für ihre Zwecke zu optimieren.

Es gab auch eine Zeit in Deutschland, wo es die Firmen scheuten Mitarbeiter auszubilden, weil es doch so teuer war. Das hat sich Gott sei Dank wieder geändert. Doch es ist für qualifizierte Fachkräfte zurzeit so, das sie es sich leisten können, mit Glück zur Festanstellung einen attraktiven und einladenden Betrieb auszusuchen. Die Unternehmen sollten sich also anstrengen, wie sie gute Mitarbeiter an sich binden können. Mit guten Mitarbeitern verdienen sie ihr Geld. Absolut falsch ist jedoch, die Mitarbeiter nur als Unkostenfaktor zu sehen. Deswegen wäre es gut, um loyale Mitarbeiter zu bekommen, die Bedingungen in den Firmen zu verbessern, Zeitarbeit überhaupt abzuschaffen oder zumindest sachgrundlose Zeitverträge abzuschaffen und bei weniger Qualifizierten mehr zu bezahlen als den Mindestlohn. Die Unternehmer werden feststellen, dass ein attraktiver Arbeitsplatz wie ein Magnet für Fachkräfte wirkt und das gute Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter eine gute Investition für die Zukunft ihrer Firma darstellen. Die Zukunft ist gesichert für die Firma, den Unternehmer und gleichfalls für die Arbeitsstellen der Mitarbeiter. Und glauben sie gar nicht meine Herren Unternehmer, dass sie damit Geld verschenken, außer sie wären der Meinung, dass Mitarbeiter ein lästiges Übel sind. So sollte es nicht nur die gewünschten flexiblen Mitarbeiter für Firmen geben, sondern auch flexible Unternehmer, die ihre Angestellten zu schätzen wissen und einen modernen, zeitgemäßen Betrieb ihr Eigen nennen.

Die Politik hat erst die Voraussetzungen geschaffen, die Arbeitnehmer in einigen Punkten stark unter Druck setzen, die es ermöglicht hat, dass sich ein Arbeitsmarkt bilden konnte, der Arbeitnehmer trotz guter fachlicher Ausbildung in teilweise fragliche Beschäftigungsverhältnisse drängt. Es bildete sich auch auf dem Arbeitsmarkt eine ausgeprägte Zweiklassengesellschaft, die zum Wohle der Unternehmer die Gesellschaft spaltete und selbst Facharbeiter und Studienabgänger benachteiligt. Welche Motivation gibt es für Auszubildende sich einen Beruf auszusuchen, der die fachlichen Fähigkeiten nach dem Abschluss als Facharbeiter oder Fachkräfte mit Studienabschluss nicht dieselben Chancen ermöglicht, die jeder andere in demselben Beruf auch hat und dann der Zufall entscheidet. Die Politik hat es durch fördernde Maßnahmen, ausschließlich für die Unternehmen, geschafft, dass eine soziale Spaltung zum Vorteil eines ausgeprägten Turbo-Kapitalismus entstehen konnte. Die Politik ist nicht in der Lage, Korrekturen der Ungleichbehandlungen durchzuführen. So hat man es einfach hingenommen, dass sich soziale Gesellschaftsstrukturen zum Vorteil der Unternehmer, aber zum Nachteil der Bundesrepublik Deutschlands bilden konnten. Bei vielen so Benachteiligten muss der Staat den Beschäftigten einen Lohnzuschuss bezahlen, der die Unternehmer auf Staatskosten dadurch weiter mit höheren Gewinnen versorgt. Die Politik ließ bezüglich der Chancengleich für eine Ausbildung von Minderbemittelten es einfach so laufen und konnte so letztlich den Arbeitsmarkt für Fachkräfte nicht positiv fördern, was als Folge zu geringeren Ausbildungsraten führte. Auch die steigende Tarifflucht lässt zwar die Kreativität der Unternehmer erahnen, die jedoch die Weitsicht völlig vermissen lässt. Letztlich ist es wohl so, dass sich zufriedene Arbeitnehmer nur dort an ihrem Arbeitsplatz loyal zeigen, wo ihr Chef ihre Leistungen für die Firma respektiert und entsprechend honoriert.

Die Politik ist ganz klar gefordert, nicht nur die Unternehmen im Blick zu haben, sondern auch die Menschen in den Unternehmen zu sehen und nicht zu vergessen. Es reicht einfach nicht aus, zu sagen, die Wirtschaft läuft, schauen sie sich die guten Zahlen an! Die Politik muss deutlich mehr bewirken, als nur die Konjunktur im Auge zu haben. Denn selbst Unternehmen haben eine soziale Verantwortung. So sollen letztlich Unternehmen auch dem Gemeinwohl dienen und deswegen wird in der Bundesrepublik die „soziale Marktwirtschaft“ mit Ausgleich von sozialen und ökonomischen Interessen verfolgt. Deswegen stehen die Politiker und die Unternehmen in der Verantwortung zu ihren Bürgern bzw. Mitarbeitern, aber auch zu ihrem Heimatland Deutschland.

13.02.2018 – WM

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